Die Marienkapelle am Waldhof – Ein Hörrundgang durch sechshundert Jahre Geschichte
In den Tiefen des Westerwalds – inmitten des Gebäudekomplexes der Waldhofklinik Elgershausen – steht eine uralte Kapelle. Die Häuser der ehemaligen Klinik altern dort im Wald, wie das Lungensanatorium in Thomas Manns „Zauberberg“ , rätselhaft und verlassen vor sich hin.
Die Kapelle, die viele Hundert Jahre älter ist, als die Klinik, bildet in gewisser Weise ihr Zentrum.
Nachdem der Waldhof über den Zeitraum von 120 Jahren als Lungenklinik genutzt wurde, will heute das Gemeinschaftsprojekt Zukunftsdorf Waldhof den Ort neu beleben:
Neben verschiedenen Bereichen, die das Projekt umfassen möchte, steht die Förderung von Kunst und Kultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege im Fokus des Schaffens der BewohnerInnen.
Es geht um die Entwicklung von kreativen Ansätzen, die den Ort und seine Geschichte vielfältigen Akteuren der Region zugänglich machen. Dieser Impuls und die damit verbundene Netzwerktätigkeit liegt uns am Herzen und ist die Motivation, dieses Projekt ins Leben zu rufen.
Mit der Unterstützung des Soforthilfeprogramms Kirchturmdenken 2.0 haben wir uns vorgenommen, für das Herzstück des Waldhofes, die Marienkapelle, einen Audiowalk zu erdenken und zu produzieren. Ein Audiowalk oder Hörrundgang, der den/die ZuhörerIn an die Hand nimmt, die 600-jährige Geschichte dieses besonderen Ortes zu entdecken.
Die Recherche in historischen Archiven, wie Tauf- und Sterberegistern des Ortes, die Auseinandersetzung mit den architektonischen Feinheiten und den diversen Nutzungskonzepten der Kapelle verdichten sich zu einer semi-fiktiven literarischen Erzählung. Radiokünstler Étienne Roeder und Theaterpädagoge Bernardo Sánchez Lapuente erschaffen durch eigens in der Kapelle aufgenommene gregorianische Gesänge, durch den Klang der hiesigen Orgel und einer alten Messe auf Latein in 30 Minuten eine sinnlich- emotionalen Begehung und Begegnung mit der Vergangenheit. Die Kapelle – so scheint es- erinnert sich durch sprechende Wände akustisch selbst an die Klänge, Töne und Geschichten, die dort in den letzten Jahrhunderten erklungen sein mögen.
An die Hand genommen wird der/die BesucherIn dabei von den Pfarrern Armin Kistenbrügge und Johannes Sell, die selbst jahrelang in der Kapelle wirken durften. Die Geschichten und Reflexionen der evangelischen Pfarrer und ihre Beschreibungen wechseln sich ab mit Rosenkranzanbetungen, Gesängen, literarischen Versatzstücken und Klanglandschaften. Auf einmal wird die Geschichte an diesem Ort sinnlich und gegenwärtig erfahrbar.
Der Audiowalk ist dafür gedacht, vor Ort gehört zu werden. Durch die technisch aufwendige binaurale Stereophonie, die eine realistische 360° Akustik schafft, wirkt es mitunter so, als stünde der/die BesucherIn auch akustisch in einer anderen Zeit. Die Wände sprechen von links, der Pfarrer spricht im eigenen Kopf und die Orgel klingt so, als würde der/die BesucherIn sie selbst spielen.
Der Audiowalk kann aber auch eine Zeitreise für jemanden sein, der/die an einem anderen Ort hört und sich 30 Minuten schenken kann, den Waldhof und seine Marienkapelle vor dem inneren Auge erscheinen zu lassen. Jeder Mensch kann sich und seine eigene Geschichte darin wieder finden. Denn schließlich kann die Geschichte einer Kapelle nur die Geschichte einer Gesellschaft sein.
Es sprachen: Étienne Roeder, Lisa Güldenhaupt, Lioba Keuck und Simon Fischer.
Besonderer Dank gilt Armin Kistenbrügge und Johannes Sell, die durch die Kapelle geführt haben sowie Eva Schorndanner für die Harfenklänge, Bernardo Sanchez Lapuente, Johanna Helbig, Stefan Allmendinger und Ulrich Sappok für Gesang, Gebet und Gitarrenspiel
Konzept, Produktion und Dramaturgie: Bernardo Sánchez Lapuente und Étienne Roeder
Ton und Technik: Étienne Roeder und Martin Mitdank
Gefördert durch: